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Raus aus der Erschöpfungs-Spirale

Erschöpft

Eine Lehrer-Umfrage vom Deutschen Schul-Barometer (Sommer 2022) zeigt: Lehrkräfte sind am Limit. Mit anderen Worten: Wir haben ein akutes Problem! Und so wichtig Forderungen nach strukturellen Veränderungen auch sind, darauf können wir nicht warten. Es geht jetzt um deine Gesundheit und ob du deinen Schülern das geben kannst, was sie jetzt brauchen. Doch wie kommt man in die Kraft zurück? Einfach mal „abhängen“? Scheinbar reicht das nicht. Sonst hätten Wochenende und Ferien schon gewirkt. Die notwendige Resilienz oder Widerstandsfähigkeit zu schaffen, braucht Methode und Übung. Wir hätten da ein paar Empfehlungen, was jeder einfach selbst persönlich tun kann…

In einer repräsentativen Forsa-Studie für das deutsche Schulbarometer wurden 1.017 Lehrkräfte nach den Auswirkungen der Pandemie auf ihre Gesundheit und Berufszufriedenheit befragt. Das System ist an der Belastungsgrenze. Die hohe Erschöpfung wirkt sich natürlich auch auf die Motivation der Kinder aus. Es gibt also drei gute Gründe jetzt selbst ins Handeln zu kommen:

  • Die eigene Gesundheit
  • Seine Schülerinnen und Schüler nicht im Stich zu lassen
  • Das System nicht gegen die Wand zu fahren

Und letzteres tun wir, wenn wir auf politische Lösungen warten. Es gibt da kein imaginäres „System Schule“, dass irgendjemand irgendwie irgendwann richten wird. Wir selbst sind das System, jeder Einzelne. Du bist die Schule. Du musst es richten. Gemeinsam mit dem Kollegium und der gesamten Schulfamilie. Lass uns zunächst die Situation noch einmal anschauen.

Lernrückstände und psychosoziale Probleme

Laut der aktuellen Studie schätzen Lehrkräfte die aktuellen Lernrückstände ihrer Schülerinnen und Schüler zum Ende des laufenden Schuljahres deutlich größer ein, als in der Befragung vom September 2021 – also zu Beginn des Schuljahres.

Viele Defizite sind erst im Laufe des Präsenzunterrichts bewusst geworden. Aktuell gehen die Lehrerinnen und Lehrer davon aus, dass 41 Prozent ihrer Schüler deutliche Lernrückstände haben, das sind acht Prozentpunkte mehr als im September. 13 Prozent der Lehrkräfte sagen sogar, dass mehr als 75 Prozent der Schülerschaft große Defizite haben. 82 Prozent berichten über einen deutlichen Anstieg von Konzentration- und Motivationsproblemen (im September 2021 waren es 67 Prozent). Und fast doppelt so viele wie 2021 (42 Prozent) sehen häufiger aggressives Verhalten ihrer Schülerinnen und Schüler und jede vierte Lehrkraft beobachtet einen Anstieg von Angststörungen.

Offensichtlich konnten die milliardenschweren Aufholprogramme von Bund und Ländern daran nicht viel ändern – sowohl bei den Lernrückständen als auch für das psychosoziale Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler. Das äußert sich in der starken Zunahme von Konzentrationsmängeln, Motivationsproblemen, körperlicher und motorischer Unruhe, Abnahme sozialer Fähigkeiten (Rückgang von Empathie), Zurückgezogenheit oder Niedergeschlagenheit, aggressivem Verhalten, Spiel- und Onlinesucht, Schul-Absentismus und Angststörungen. Mehr Details dazu in der Studie.

Lehrer am Limit können ihren Schülern nicht helfen

71 Prozent der Lehrkräfte sagen „Trotz aller Bemühungen kann meine Schule einigen Schülerinnen und Schüler aktuell nicht die adäquate Unterstützung beim Lernen bieten, die sie benötigen.“ 66 Prozent fordern „die Förderung des psychischen Wohlbefindens der Schülerinnen und Schüler sollte aktuell wichtiger sein als das Erfüllen der Lehrpläne.“ 54 Prozent der Lehrkräfte können den Sorgen und Ängsten ihrer Schülerinnen und Schüler trotz aller Bemühungen aktuell nicht ausreichend Raum geben. Das alles wird die Lernrückstände zunächst einmal eher vergrößern. Schüler brauchen also Unterstützung ihrer Lehrer in doppelter Hinsicht.

Die meisten Lehrkräfte fühlen sich häufig erschöpft

Das Gefühl, seinen Schülern und Schülerinnen trotz hohem Engagement nicht ausreichend gerecht werden zu können, nagt zusätzlich am Gesundheitszustand. Vier von fünf Lehrern (79 Prozent) arbeiten seit Jahresbeginn häufig auch am Wochenende. Die Folge: Erschöpft, müde und angespannt sein, innere Unruhe, erhöhte Reizbarkeit und Schlafstörungen.

Der chronische Erschöpfungszustand ist an sich schon belastend. Und er setzt eine Negativspirale in Gang. Zusätzlich zieht das Krankentage nach sich. Diese Fehlzeiten aufzufangen, schafft zusätzliche Probleme. Die Unterrichtsqualität leidet. Also kein Wunder, wenn mehr als jeder zehnte Lehrer (13 Prozent) darüber nachdenkt, die Arbeitszeit nächstes Jahr zu reduzieren. Auch das verschärft die Situation.

Seit Jahresbeginn 2022 klagen Lehrkräfte in steigendem Maß über körperliche und mentale Erschöpfung, Müdigkeit, innere Unruhe, angespannt sein, Nacken- und Rückenschmerzen, Vergesslichkeit, unkonzentriert sein, erhöhte Reizbarkeit, Schlafstörungen, Niedergeschlagenheit und Kopfschmerzen. Offensichtlich reicht es nicht am Wochenende oder in den Ferien einfach mal „abzuhängen“. Denn, würde das reichen, gäbe es diese Beschwerden nicht. Offensichtlich braucht es mehr.

Aus Studien zum Burn-out wissen wir, dass Erschöpfung häufig kombiniert ist mit Zynismus oder auch Gereiztheit. Die Lehrkraft distanziert sich damit von ihrer Arbeit, was für sie selbst ein Schutzmechanismus ist. Für die Schülerinnen und Schüler, die die Situation der Lehrkräfte genau wahrnehmen, wirkt sich die Erschöpfung und der Zynismus negativ auf ihre Motivation und auf ihre Beziehung  zu den Lehrkräften aus, sagt Bildungsforscherin Uta Klusmann vom IPN – Leibnitz-Institut. Was kann man tun, um daraus zu kommen?

Drei Tipps, was du tun kannst:

1. Raus aus der Erschöpfung-Spirale – zurück in die Kraft

Chronische Überlastung macht auf die Dauer krank und unzufrieden. So wichtig die politschen Forderungen auch sein mögen, aktuell helfen tun sie nicht. Abgesehen von der Frage, woher das zusätzliche Personal kommen soll und wie schnell strukturelle Änderungen greifen.

Mit anderen Worten, du musst was tun. Aber der Mehrheit der Befragten Lehrkräfte (60 Prozent) gelingt häufig nicht, sich in der arbeitsfreien Zeit so richtig zu erholen. Wenn du den Akku nicht auflädtst, schaltet sich dein Computer irgendwann aus. Sorge dafür, dass es dir nicht auch so geht. Zu pokern, dass die Lösung von außen kommt, ist „Russisch Roulette“ mit der Gesundheit.

Triff eine Entscheidung. Kümmere dich um dich. Für viele ist es höchste Zeit für einen „General Reset“ – für eine regelmäßige „Zeit-nur-für-mich“. Das Video zeigt dir in 30 Minuten, wie du wieder in deine Kraft zurückkommst.

Video "Raus aus der Erschöpfung"
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Im Kasten unten findest du nochmal die Struktur so eines Tages in Kürze, wie sie im Video ausführlich erklärt ist:

  • Handy aus, Stecker vom Router raus, alles was an Arbeit erinnert wegräumen
  • Am Vorabend spätestens um 22:00 Uhr „Licht aus“
  • Keinen Wecker stellen und ausschlafen
  • 1 Stunde Dankbarkeits-Kontemplation
  • 1 Stunde körperliche Übungen (Yoga, Qigong o. ä.)
  • Lektüre zu den großen Fragen des Lebens
  • 13:30 Uhr leichtes Mittagessen
  • Nickerchen (wenn dir danach ist)
  • Praktische Tätigkeiten (etwas, worin du dich verlieren kannst)
  • 1 Stunde Jemanden dienen (z. B. Besuch im Altersheim)
  • Tag Revue passieren lassen (Erkenntnisse, Notizen machen)

Den Tag auf jeden Fall bis zum Mittag schweigend verbringen.

2. Die Kraft der Gemeinschaft: Kooperation im Kollegium

Neben dem, was du selbst für dich allein tun kannst, nutze die Kraft der Gemeinschaft. Das fängt mit Gesprächen „zwischen Tür und Angel“ an, andere auch mal um Rat zu fragen, Materialien auszutauschen, bis hin zu gemeinsamer Organisation und echter Zusammenarbeit.

Wer sich Arbeit teilt, gewinnt Zeit. Vielleicht sogar Qualität. Gleichzeitig bietet Kooperation eine Quelle gegenseitiger Wertschätzung. Sozialer Austausch ist eine wichtige Bewältigungsstrategie. Das braucht die Bereitschaft, auch über eigene Gefühle zu reden – genauso wie die Geduld, anderen zuzuhören. Beim Stöbern in den Blogbeiträgen von Das macht Schule findest du eine ganze Reihe von Beiträgen, die sich mit diesen Themen beschäftigen.

Hier können die Schulleitungen helfen, das zum Thema in der Schule zu machen. Und auch die Schulaufsicht kann entscheidende Anstöße geben: Für mehr Zusammenarbeit im Kollegium, mehr soziale Unterstützung. Mit postivem Nebeneffekt: Denn wer sich unterstützt fühlt, hat bei gleicher Arbeitsbelastung weniger das Gefühl, überlastet zu sein. Soziale Unterstützung ist also eine zentrale Ressource, der man Raum geben sollte. Mehr dazu in dem Beitrag „Was Lehrkräfte gesund hält“, den wir dir hier verlinkt haben.

3. Resilienz kann man lernen

Resilienz ist die psychische Widerstandskraft, also die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen. Resiliente Menschen sind die, die auch in stressigen, schwierigen Situationen gelassen bleiben, den Überblick behalten, selbst unter großem Druck ihre Leistungsfähigkeit behalten und selbst persönliche Angriffe mit scheinbarer Leichtigkeit wegstecken. Die Grundlage ist Achtsamkeit. Also merken, was gerade los ist. Und das Gute ist: Achtsamkeit ist wie ein Muskel, den man trainieren kann, wie Florentine Anders (Grundschullehrerin und Coach für Lehrer-Gesundheit) in einem Beitrag anschaulich beschreibt.

Resiliente Menschen verfügen über stärkere Fähigkeiten, Impulse zu kontrollieren und Emotionen zu steuern. Sie haben eine optimistische Grundeinstellung und sind geübt darin Dinge aus einer optimistischen Perspektive heraus zu betrachten. Sie können Situationen schnell analysieren und fokussieren sich auf das, was funktioniert. Kurz: Sie nehmen ihr Schicksal in die eigenen Hände, verfolgen klare Ziele und passen die gegebenenfalls den Erfordernissen an. Und nicht zuletzt verfügen sie über ein hohes Maß an Beziehungs-Kompetenz bzw. Empathie.

Das sind keine Supermenschen. Sie haben nur im Lauf ihres Lebens gelernt, mit Schwierigkeiten besser umzugehen als andere. Vielleicht findest du auch in diesem Artikel einen konkreten Fahrplan, wie du deine eigene Resilienz zu erhöhen kannst.

Fazit:

Wenn du nichts tust, ändert sich nichts.

Wenn du etwas tust, wird sich etwas verändern.

Achtsamkeit hilft rechtzeitig zu erkennen, in welcher Situation man steckt. Um aus schwierigen Situation rauszukommen, braucht es Methoden. Einfach nur abwarten, auf das Wochenende oder die Ferien zu hoffen, reicht nicht. Deine Gesundheit steht an erster Stelle. Ohne die kannst weder anderen helfen, noch deinen Job erledigen. Achtsamkeit und Resilienz steigernde Methoden kann man sich aneignen. Dabei spielt die soziale Unterstützung eine wichtige Rolle. Dies alles ist ein genauso wichtiger Teil professionellen Arbeitens, wie pädagogische Fähigkeiten und Fachwissen. Eine entsprechende Kultur können Schulen selbst fördern, indem sie ihr Aufmerksamkeit widmen und dem Thema auf allen Ebenen Raum geben: In der Schulleitung, im Kollegium und individuell!

Tipp: Wenn du dir wünscht, wieder zurück in die Kraft zurück zu kommen, wäre eine Idee, den Link zu diesem Beitrag weiterzugeben und mit anderen dazu ins Gespräch zu kommen. Vielleicht suchst du dir einen Partner, so dass ihr euch gegenseitig ermutigen und unterstützen könnt. Schließlich ist es gemeinsam viel leichter, bei der „Stange“ zu bleiben.

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