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Der Lehrermangel ist nicht das Problem

Lehrermangel inst nich das Problem

Die Schlagzeilen warnen vor einem „Flächenbrand“. Doch „Lehrermangel“ ist nicht das Problem. Er ist nur das Etikett für einen ganzen Problemkomplex. Hier liegt das Problem. Wir suchen am falschen Ort. Das heißt, die Beseitigung des Lehrermangels wird das Problem nicht lösen. Ein bisschen Logik dazu:

Aktuell fehlen 40.000 Lehrer. Wir haben 702.000 Lehrer. Es fehlen also 5,7 %. Das ist so, als ob in einem Handwerksbetrieb mit 100 Mitarbeitern 5 oder 6 fehlen. Das ist normalerweise kein Drama. Der Betrieb bricht deswegen nicht zusammen. Jedenfalls kein gesunder Betrieb. Wenn aber die Mitarbeiter schon lange frustriert, überarbeitet und ausgebrannt sind, wenn der Betrieb schlecht organisiert ist, wenn die Kunden schwierig sind, wenn der Krankenstand höher ist als anderswo, wenn Anerkennung und Wertschätzung fehlen, dann wird das schon zum Problem. Aber nicht, weil 5 oder 6 Leute fehlen. Da ist „etwas faul“ in dem Betrieb.

Wir hatten zwei Lösungswege aufgezeigt, wie der Lehrermangel zumindest rechnerisch leicht zu beheben wäre. Das Echo: Empörung, das könne man den Lehrern doch nicht zumuten. Unsere Vorschläge waren: Eine halbe Stunde Mehrarbeit pro Tag, jeder vierte Teilzeitlehrer stockt auf oder eine Kombination aus beidem. Das könnte die Unterrichtsversorgung sichern. Doch die Empörung zeigt: Das Problem liegt tiefer.

Im Betrieb „Schule“ scheint „etwas faul“ zu sein: jahrelang vernachlässigt, strukturell den Anforderungen nicht mehr gewachsen, haushaltsmäßig unterversorgt.

Im Betrieb „Schule“ scheint „etwas faul“ zu sein: jahrelang vernachlässigt, strukturell den Anforderungen nicht mehr gewachsen, haushaltsmäßig unterversorgt.

Jetzt kümmern sich alle um den Lehrermangel. Es ist gut, dass die Aufmerksamkeit jetzt da ist. Nur, wie gesagt, das eigentliche Problem wird dadurch nicht gelöst. Es ist wie eine Kopfschmerztablette gegen die Nackenverspannungen, die wir uns durch falsches Sitzen eingehandelt haben. Wenn wir die Sitzposition nicht ändern, werden wir die Kopfschmerzen nie los. Die Kopfschmerztablette kann helfen, den ersten Schmerz zu lindern, aber für eine dauerhafte Lösung müssen wir tiefer gehen.

Der internationale Vergleich macht deutlich, wo diese „Tiefe“ zu suchen ist. Deutschland investiert jährlich 4,7 % des Bruttoinlandsprodukts in Bildung. Belgien 6,3%, Dänemark 6,4%, Schweden 7,1%. Gemessen daran müsste Deutschland, um mit Finnland gleichzuziehen, jährlich 48 Milliarden Euro mehr in Bildung investieren oder 83 Milliarden Euro mehr als Schweden (Quelle: Statistisches Bundesamt). Da nimmt sich die von Christian Lindner vorgeschlagene jährliche Bildungsmilliarde wie ein schlechter Witz aus.

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Um das System zu heilen, braucht es Innovation und partizipative Prozesse. Schule kann das nicht. Schule ist hierarchisch aufgebaut. Mit Anweisungen „von oben“. Wie der Vatikan, die Bundeswehr oder die Mafia, also Systeme, die nicht für Innovation stehen. Wer aufmuckt, hat ein Problem.

Aufmucken ist die Basis für Veränderung - und Veränderung ist das Ergebnis von Innovation. Wie soll das gehen?

Wir müssen Schule anders denken. Nicht nur vom Unterricht her. Auch von der Führung her. Ohne zeitgemäße Führungsstile, agiles Arbeiten und das, was in erfolgreichen Unternehmen als „New Work“ längst Einzug gehalten hat, wird es nicht gehen. Dazu müssen verkrustete, starre Strukturen aufgebrochen werden. Mit Mut zum Handeln und dem Fokus auf das eigentliche Problem, nicht auf das Etikett „Lehrermangel“. So wichtig es auch ist, diesen zu beseitigen.

Genial wäre ein funktionierendes Feedbacksystem, damit Schule ein attraktiver Arbeitsplatz wird. Ähnlich wie bei der Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu. Hier bewerten Mitarbeiter ihr Unternehmen nach Kriterien wie: Betriebsklima, Work-Life-Balance, Gehalt/Sozialleistungen, Kollegenzusammenhalt, Vorgesetztenverhalten, Arbeitsbedingungen, Kommunikation, Gleichberechtigung, interessante Aufgaben, Umwelt-/Sozialbewusstsein, Aufstiegschancen. Das macht transparent, ob der Arbeitsplatz gut oder schlecht ist.

Wer einmal auf Kununu nach „Schule“ oder „Gymnasium“ sucht, findet bereits über 300 Ergebnisse. Immerhin 300 von rund 32.000 Schulen. Und das mit zum Teil recht guten Bewertungen. Zu schauen, wie die das machen, wäre ein erster Schritt. Ein erster Schritt, den jeder einfach gehen kann: Schulaufsicht, Schulleitung, jede einzelne Lehrkraft und natürlich auch die Politik. Nimmt man die mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichneten Schulen hinzu, stehen Hunderte von Best-Practice-Beispielen zur Verfügung. Sie bieten allen Beteiligten in Schule, Verwaltung und Politik Orientierung, um neue Wege zu gehen. Diejenigen, die erfolgreich sind, geben ihre Erfahrungen in der Regel gerne weiter. – Und: Gemeinsam meistern sich Herausforderungen leichter.

Bernd Gebert

Bernd Gebert

Der Autor ist Gründer & geschäftsführender Vorstand von Das macht Schule

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